Zur Frage des Arbeitsunfall während der Mittagspause in einer Werkskantine

SG Heilbronn, Urteil vom 26.03.2012 – S 5 U 1444/11

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Einnahme einer Mahlzeit auch während einer Arbeitspause zwischen betriebsdienlichen Verrichtungen grundsätzlich nicht versichert, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen ein Grundbedürfnis ist und somit betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten. Auch nach der Literatur handelt es bei einer solchen Nahrungsaufnahme grundsätzlich um eine eigenwirtschaftliche/private und somit unversicherte Tätigkeit (Rn. 22)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1 Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls

2 Der Kläger ist gelernter … und bei der X AG, Werk B, in der … beschäftigt. Auf dem Werksgelände befindet sich eine Kantine. Diese steht ausschließlich den Mitarbeitern des Werks und im Auftrag der X AG dort Tätigen offen. Die Werksangehörigen und die im Auftrag der X AG dort Tätigen können in dieser Kantine gegen Bezahlung subventionierte Speisen zu sich nehmen (Auskunft der X AG vom 20.03.2012).

3 Am 18.05.2010 hatte der Kläger im Laufe des Vormittags eine Besprechung. Anschließend besorgte er sich einen Firmenwagen, um mit diesem nach dem Mittagessen nach C zu fahren, um an einem geschäftlichen Besprechungstermin teilzunehmen, der um 14 Uhr beginnen sollte und dem Kläger schon einige Zeit vorher bekannt war. Nach dem Vormittagstermin suchte er die besagte Kantine des Werks B auf, um sein Mittagessen einzunehmen. Als er sich gegen 12 Uhr in der Kantine befand, rutschte er mit einem Tablett in der Hand auf Salatsoße, die auf die Bodenfliesen verschüttet worden war, aus und stürzte auf den linken Ellenbogen. Der Kläger wurde anschließend in das Klinikum in B gebracht, wo die Durchgangsärzte … eine … diagnostizierten. Der Kläger wurde dort bis zum 22.05.2010 stationär behandelt.

4 Nachdem dem Kläger im Rahmen einer telefonischen Unterredung mit der Beklagten mitgeteilt worden war, dass nach Auffassung der Beklagten kein Arbeitsunfall vorliege, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten vortragen, dass vorliegend ein innerer Zusammenhang der Nahrungsaufnahme in der Kantine mit der versicherten Tätigkeit bereits deshalb gegeben sei, weil er am Tag des Unfalles um 13:30 Uhr (nach den korrigierten Angaben in der mündlichen Verhandlung: 14 Uhr) an einer Besprechung in C habe teilnehmen müssen, so dass eine Nahrungsaufnahme um 12 Uhr in der Werkskantine geboten und notwendig gewesen sei.

5 Mit Bescheid vom 07.09.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 18.05.2010 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Nahrungsaufnahme grundsätzlich dem privaten Bereich und damit nicht der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sei, da sie unabhängig von einer beruflichen Tätigkeit erforderlich sei. Zur Begründung des Versicherungsschutzes sei es zudem nicht ausreichend, dass es sich um eine Betriebskantine gehandelt habe. Auch stelle die Verunreinigung des Kantinenbodens keine besondere betriebliche Gefahr dar. Entsprechende Verunreinigungen würden nicht nur im Kantinenbereich, sondern auch in anderen Selbstbedienungsrestaurants vorkommen, weswegen auch insofern kein Versicherungsschutz begründet sei.

6 Gegen den Bescheid vom 07.09.2010 ließ der Kläger Widerspruch erheben und zur Begründung vortragen, dass es sich um einen Arbeitsunfall handle, weil er – wie bereits vorgetragen – aus dringenden berufsbedingten Gründen das Essen in der Werkskantine habe einnehmen müssen und eine anderweitige Essenseinnahme aufgrund der Geschäftstermine nicht realisierbar gewesen sei.

7 Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011 zurück und führte zur Begründung aus, dass in Anlehnung an die Rechtsprechung die Nahrungsaufnahme grundsätzlich dem privaten, eigenwirtschaftlichen Lebensbereich zugerechnet werde, da die Einnahme von Mahlzeiten unabhängig von der versicherten Tätigkeit erforderlich sei. Obwohl Essen während der Arbeit und auf der Arbeitsstätte der Erhaltung der Arbeitskraft diene, zähle dies zum unversicherten Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Nahrungseinnahme und der versicherten Tätigkeit sei nicht zu bejahen, da das allgemeine Interesse des Arbeitgebers an der Leistungsfähigkeit nicht ausreiche. Das bloße Zur-Verfügung-Stellen einer Werkskantine reiche nicht aus, um den inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit zu bejahen. Die Wege zu und von der Werkskantine seien versichert, doch dieser Versicherungsschutz ende mit dem Durchschreiten der Außentür der Kantine. Die Wege innerhalb der Kantine sowie der Aufenthalt in der Kantine seien unversichert. Da sich der Hergang innerhalb der Kantine zugetragen habe, sei er dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Nur in Ausnahmefällen, wenn besondere betriebliche Umstände vorlägen, die die Nahrungsaufnahme erforderlich machen oder beeinflussen, könne die Nahrungsaufnahme ausnahmsweise auch dem versicherten Bereich zugeordnet werden. Die Verunreinigung des Kantinenbodens gehe nicht von der Betriebsstätte, sondern von der Kantine aus. Der durch Salatsoße verunreinigte Kantinenboden stelle somit keine besondere betriebsspezifische Gefahrenquelle dar. Entsprechende Verunreinigungen würden ebenso in anderen Selbstbedienungsrestaurants vorkommen. Unter diesem Gesichtspunkt lasse sich kein Versicherungsschutz begründen. Anhand der vorliegenden Sachlage sei es darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass wegen der Geschäftstermine die Notwendigkeit bestand in der Kantine zu essen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses, wie üblich, zur Nahrungsaufnahme in der Kantine aufgehalten habe. Leistungsansprüche aufgrund des Ereignisses vom 18.05.2010 seien daher abzulehnen.

8 Gegen den Bescheid vom 07.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2011 hat der Kläger am 14.04.2011 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben mit dem Begehren, die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Unfallereignis vom 18.05.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die aus dem Arbeitsunfall resultierenden Leistungen zu gewähren.

9 Zur Begründung lässt der Kläger vortragen, dass zum einen die räumliche und personale Größe seines Arbeitgebers es erforderlich mache, dass die Mitarbeiter ihre Mahlzeiten an einem bestimmten Ort, nämlich der Werkskantine, einnehmen. Zeitlich und entfernungsmäßig sei es den Mitarbeitern grundsätzlich nicht zumutbar, außerhalb des Werksgeländes während der Beschäftigungszeit zu Mittag die Nahrung aufzunehmen. Auch erfordere die Stellung des Klägers beim Arbeitgeber den Kontakt mit anderen Mitarbeitern während der Essenspausen innerhalb der Firma, wobei die gesamte Einrichtung des Arbeitgebers so ausgerichtet sei, dass die Mitarbeiter zusammen in der Werkskantine zu besonderen günstigen wirtschaftlichen Konditionen essen und zusammen sein können. Besondere betriebliche Umstände der Nahrungsaufnahme in der Kantine würden sich somit aus der Betriebsphilosophie des Arbeitgebers ergeben, wonach zwischen den Mitarbeitern ein besonderer Zusammenhang entstehen und bestehen solle und diese innerhalb der Firma miteinander kontaktieren und essen sollen. Zum anderen sei die beabsichtigte Nahrungsaufnahme am Mittag des Unfalltages durch besondere betriebliche Umstände geprägt, welche den Kläger gezwungen hätten, an diesem Tag gerade in der Kantine zu essen oder die Entscheidung in der Kantine zu essen zumindest wesentlich mitbestimmten. Denn um den bereits besagten Besprechungstermin um 13:30 Uhr (nach den korrigierten Angaben in der mündlichen Verhandlung: 14 Uhr) in C wahrzunehmen, habe sich der Kläger zuvor bereits einen Firmenwagen besorgt und fahrbereit gehalten; der Schlüssel habe sich in dessen Tasche befunden, als er die Kantine betreten habe. Wegen der bevorstehenden Besprechung und der erforderlichen Fahrzeit habe der Kläger in der Werkskantine gegen 12 Uhr essen müssen, um seine betrieblichen Verpflichtungen entsprechend pünktlich erfüllen zu können. Eine Nahrungsaufnahme außerhalb des Betriebsgeländes in einer Gaststätte mit einer entsprechenden Wartezeit, welche nicht bestimmbar sei, sei wegen den dargestellten betrieblichen Umständen nicht möglich gewesen.

10 Der Kläger beantragt zuletzt,

11 den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 18.05.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

12 Die Beklagte beantragt,

13 die Klage abzuweisen.

14 Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16 Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

17 Die Klage ist form- sowie fristgerecht erhoben. Der Kläger hat ein Wahlrecht, ob er – wie vorliegend – eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das streitgegenständliche Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen oder eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erhebt (vgl. BSG, Urt. v. 27.04.2010, B 2 U 23/09 R sowie BSG, Urt. v. 18.01.2011, B 2 U 15/10 R). Zutreffend hält der Kläger an seinem in der Klageschrift über den Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag hinaus gestellten unkonkreten Leistungsantrag auf Gewährung der „aus dem Arbeitsunfall resultierenden Leistungen“ nicht fest. Denn dieser ist auf den Erlass eines unzulässig unbestimmten unechten Grundurteils gerichtet (vgl. BSG, Urt. v. 02.12.2008, B 2 U 17/07 R; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.10.2009, L 8 U 2462/09, jeweils m.w.N.).

18 Die somit zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte das Ereignis vom 18.05.2010 nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger ist daher durch die angefochtenen Entscheidungen nicht in seinen Rechten verletzt.

19 Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urt. v. 09.05.2006, B 2 U 1/05 R m.w.N.).

20 Da der Kläger, welcher gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter kraft Gesetzes versichert ist, durch den Sturz auf den Arm zweifellos einen Unfall erlitten hat, ist letztlich entscheidend und auch ausschließlich streitig, ob die beabsichtigte Nahrungsaufnahme in der Kantine des Werks B der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, ob also ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang besteht.

21 Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht. Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urt. v. 10.10.2006, B 2 U 20/05 R).

22 Nach der Rechtsprechung des BSG (von der Darstellung der Einzelheiten des Versicherungsschutzes auf den Wegen zu und von dem Ort der Nahrungsaufnahme wird abgesehen, da sich der Unfall vorliegend unstreitig innerhalb der Werkskantine ereignet hat und der Versicherungsschutz grundsätzlich jedenfalls mit dem Durchschreiten der Außentür (vgl. BSG, Urt. v. 26.04.1973, 2 RU 213/71) aus den im Folgenden genannten Gründen endet) ist die Einnahme einer Mahlzeit auch während einer Arbeitspause zwischen betriebsdienlichen Verrichtungen grundsätzlich nicht versichert, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen ein Grundbedürfnis ist und somit betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten (ständige Rechtsprechung, vgl. bereits BSGE 11, 267, 268). Auch nach der Literatur handelt es bei einer solchen Nahrungsaufnahme grundsätzlich um eine eigenwirtschaftliche/private und somit unversicherte Tätigkeit (vgl. Becker/Franke/Molkentin , SGB VII, Kommentar, 3. Aufl., Rn. 102; Hauck/Noftz , Kommentar, § 8 SGB VII, Rn. 89; jurisPK-SGB VII , § 8, Rn. 58; Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rn. 72; Lauterbach, SGB VII, Kommentar, § 8, Rn. 225; Schmitt, SGB VII, Kommentar, 4. Aufl., § 8, Rn. 77).

23 Allerdings erkennen sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur dann folgerichtig Ausnahmen an, wenn das eigenwirtschaftliche Moment, welches mit der Nahrungsaufnahme verbunden ist, in den Hintergrund tritt. Dies ist zum einen unproblematisch dann der Fall bei einem Geschäftsessen, da hier bereits offensichtlich nicht die Nahrungsaufnahme als solche, sondern vielmehr der für die geschäftliche Besprechung als förderlich angesehenen Schaffung einer bestimmten Atmosphäre die wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Becker/Franke/Molkentin a.a.O.). Der innere Zusammenhang kann auch dadurch begründet werden, dass die betriebliche Tätigkeit ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl verursacht hat, welches ohne die betriebliche Tätigkeit gar nicht oder doch erst später aufgetreten wäre und die Nahrungsaufnahme somit unmittelbar wesentlich der Wiedererlangung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dient (vgl. etwa BSG, Urt. v. 30.06.1961, 2 RU 78/60; nach der neueren Rechtsprechung wird insoweit zusätzlich verlangt, dass sich die Nahrungsaufnahme abweichend von dem normalen Ess- und Trinkverhalten so abgespielt hat, dass eine Zuordnung zu der betrieblichen Tätigkeit objektiv nachvollziehbar ist, z.B. Essen/Trinken während der besonders belastenden Tätigkeit, vgl. BSG, Urt. v. 10.10.2002, B 2 U 6/02 R). Der für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche sachliche Zusammenhang kann sich auch daraus ergeben, dass betriebliche Zwänge den Versicherten veranlasst haben, seine Mahlzeit an einem besonderen Ort oder in besondere Form einzunehmen (vgl. BSG, Urt. v. 29.10.1986, 2 RU 7/86, bezüglich eines Fernfahrers, welcher sein Fahrzeug nicht unbeaufsichtigt auf dem Rastplatz stehen lassen wollte und bei der Zubereitung des Essens auf einem Grill auf dem Rastplatz durch eine Stichflamme verletzt wurde, sowie BSG, Urt. v. 17.10.1990, 2 RU 61/89 für den Fall einer Kurteilnehmerin, die verpflichtet war, ihre Mahlzeiten im Speisesaal einer Kurklinik einzunehmen). In der Entscheidung BSGE 12, 247 hat das BSG als besonderen Grund für die Benutzung einer Kantine diskutiert, dass sich in der Nähe zwar Gaststätten befinden, die Preise aber dort so hoch sind, dass es für den Versicherten nach seiner Besoldung und nach seinen Spesensätzen unzumutbar wäre diese aufzusuchen, dass wegen der Ortsfremdheit die Lage von Speiselokalen unbekannt ist oder es im Interesse der Tätigkeit (dort: als Betriebsprüfer) liegt, eine persönliche Verbindung zu gewissen Bediensteten des (zu prüfenden) Unternehmens zu erhalten (BSGE 12, 247, 250 f.). Schließlich kann auch ein innerer Zusammenhang vorliegen, wenn sich der Versicherte bei der Mahlzeit infolge betrieblicher Zwänge besonders beeilen musste (vgl. BSG, Urt. v. 07.03.1969, 2 RU 264/66 für den Fall, dass die Pause wegen betrieblicher Gründe so kurz war, dass die Nahrungsaufnahme „mehr in einem Hinunterschlingen der ihm vorgesetzten Mahlzeit bestand“).

24 Versicherungsschutz kommt des Weiteren unter dem Gesichtspunkt der Auswirkung einer betrieblichen Gefahr in Betracht. So hat etwa das BSG in der Drehtür einer Betriebskantine eine objektiv gefährliche Betriebseinrichtung gesehen (Urt. v. 22.06.1976, 8 RU 146/75), einen berufsbedingten Zusammenhang aber bereits für fraglich erachtet im Falle einer Gesundheitsschädigung durch verdorbene Lebensmittel und jedenfalls für den Fall abgelehnt, wenn der Zustand der „verdorbenen“ Lebensmittel nicht ungewöhnlich ist, sondern eher dem Regelzustand entspricht (BSG, Urt. v. 04.05.1999, B 2 U 14/98). Nicht ausreichend ist, dass der Arbeitgeber Hilfsmittel für die Nahrungsaufnahme zur Verfügung stellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.1968, L 10a Ua 1774/67 = Breithaupt 1970, 21 für den Fall einer Verletzung mit einem vom Arbeitgeber den Angestellten zur Einnahme des Mittagessens zur Verfügung gestellten gewöhnlichen Tischmesser, bestätigt nachgehend BSG, Urt. v. 17.04.1970, 2 RH 2/69 = Breithaupt 1971, 254).

25 Vorliegend gilt nun folgendes: Der erforderliche sachliche Zusammenhang ist nicht bereits deswegen gegeben, weil sich der Unfall in einer Werkskantine ereignet hat (vgl. BSG, Urt. v. 07.03.1969, 2 RU 264/66; Urt. v. 26.04.1973, 2 RU 213/71; Urt. v. 22.06.1976, 8 RU 146/75; Urt. v. 24.02.2000, B 2 U 20/99 R). Der Versicherungsschutz wird auch nicht bereits dadurch begründet, dass der Arbeitgeber einen Verpflegungszuschuss zahlt (vgl. BSG, Urt. v. 26.04.1973, 2 RU 213/71) oder eine Kantine zur Verfügung stellt, in der die Angestellten einen mehr oder weniger großen Teil der Kosten der Mahlzeiten privat zu tragen haben. Denn allein der Umstand, dass der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter eine Kantine unterhält, dokumentiert zwar sein Interesse daran, dass diese dort ihre Mahlzeiten einnehmen. Wenn die Angestellten jedoch einen mehr oder weniger großen Teil der Kosten des Essens selbst zu tragen haben, spricht dies indessen eher dafür, die Essenseinnahme als eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Verrichtung anzusehen (vgl. BSG, Urt. v. 24.02.2000, B 2 U 20/99 R m.w.N.). Nur wenn der Arbeitgeber das Essen in der Kantine kostenfrei und zusätzlich zur für die Arbeitsleistung geschuldeten Vergütung zur Verfügung stellt, spricht dies für ein besonderes, gesteigertes betriebliches Interesse an der Benutzung der Kantine und damit für die Annahme des Unfallversicherungsschutzes (BSG a.a.O., offenlassend , ob dies allein den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründen kann). In der Kantine, die der Kläger aufgesucht hat, konnte er vom Arbeitgeber subventionierte Speisen zu sich nehmen, jedoch nicht kostenfrei. Der Vortrag des Klägers, dass es der Betriebsphilosophie des Arbeitgebers entspreche, dass die Beschäftigten dort ihre Mahlzeiten einnehmen, mag zutreffend sein, jedoch reicht dieses Interesse des Arbeitgebers – wie dargelegt – nicht aus, um den Versicherungsschutz zu begründen. Sofern man die von Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rn. 74 und Schmitt, SGB VII, Kommentar, 4. Aufl., § 8, Rn. 79, jeweils m.w.N., vertretenen Mindermeinung anwenden würde, wonach ein genereller Versicherungsschutz bestehen soll, wenn das Essen in einer betriebseigenen, für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Kantine eingenommen wird und es sich nicht um einem aus dem Essen selbst ergebenden Unfall (z.B Verschlucken) handelt, wäre vorliegend der innere Zusammenhang gegeben. Denn nach der Auskunft des Arbeitgebers steht die Kantine, in der sich der Unfall ereignet hat, nur den dort Beschäftigten bzw. im Auftrag dort Tätigen offen und bei dem Ausrutschen des Klägers handelt es sich auch nicht um einen sich aus dem Essen selbst ergebenden Unfall. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Die damit vorgenommene Ausweitung des Versicherungsschutzes ist zum einen dogmatisch nicht nachvollziehbar. Denn auch die genannten Literaturstimmen nehmen grundsätzlich die Prüfung des inneren Zusammenhangs entsprechend der dargestellten Rechtsprechung vor (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rn. 38 ff.; Schmitt, SGB VII, Kommentar, 4. Aufl., § 8, Rn. 79) und weisen – insoweit zutreffend – wie auch die Rechtsprechung (vgl. BSG, Urt. v. 22.01.1976, 2 RU 101/75; Urt. v. 19.01.1995, 2 RU 3/94) darauf hin, dass (mit Ausnahmen im Bereich der Binnen- und See-Schifffahrt, § 10 SGB VII) ein sog. Betriebsbann für alles, was einem Versicherten während der Arbeit und auf der Arbeitsstätte tut und erleidet, nicht anzuerkennen ist (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rn. 40). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb nach dieser Ansicht, die dem Grunde nach der dargestellten Rechtsprechung entspricht, nun gerade für eine nichtöffentliche Kantine generell eine Ausnahme vorgenommen wird, obwohl dort eine private Verrichtung in Form der Nahrungsaufnahme stattfindet. Obwohl die Literaturansicht dies an anderer Stelle ablehnt, bedeutet ihre Auffassung letztlich doch die Einführung einer Art des Betriebsbanns, welcher der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung fremd ist (so zutreffend die Kritik von Ziegler in Becker/Franke/Molkentin , SGB VII, Kommentar, 3. Aufl., Rn. 102). Nicht zu überzeugen vermag auch der Hinweis auf den Verantwortungsbereich des Unternehmers (so aber Schmitt, SGB VII, Kommentar, 4. Aufl., § 8, Rn. 79). Diese Argumentation lehnt sich offensichtlich an die Begründung der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflichten an. Nun ist es aber so, dass die gesetzliche Unfallversicherung keine gesetzliche Haftpflichtversicherung ist, die sich unmittelbar nach den im Rahmen des § 823 BGB entwickelten Grundsätzen richtet. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass das Risiko eines Arbeitsunfalls (oder einer Berufskrankheit) nicht nur dann versichert ist, wenn unter den Voraussetzungen des privatrechtlichen Haftungsrechts der Arbeitgeber (oder ein Arbeitskollege) den Schaden zu tragen hätte, sondern grundsätzlich auch bei einem durch Zufall oder gar durch ein eigenes Missgeschick eingetretenen Gesundheitsschaden der Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung eröffnet ist. Daher können gerade nicht zivilrechtliche Ansätze ohne Weiteres übertragen werden, zumal wenn sie – wie dargelegt – der im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung zu beachtenden Abgrenzung zwischen privater und versicherter Tätigkeit widersprechen. Des Weiteren birgt die Literaturansicht, die zunächst den Eindruck einer einfachen Grenzziehung (betriebseigene, der Allgemeinheit nicht zugängliche Kantine) erweckt, bei genauerer Betrachtung eine Fülle von Abgrenzungsproblemen in sich, insbesondere hinsichtlich der Voraussetzung „der Allgemeinheit nicht zugänglich“. So ist dem Gericht selbst eine Einrichtung bekannt, deren Kantine zum Mittagessen nur den Angestellten und den Patienten/Rehabilitanden offensteht, abends dürfen dort aber auch die die Patienten besuchenden Angehörigen und Bekannten gegen Entgelt mit diesen dort essen. Fraglich ist, wie nun die Literaturansicht entscheiden würde: Besteht Versicherungsschutz, wenn ein Angestellter mittags verunfallt, weil zu diesem Zeitpunkt die Allgemeinheit ja grundsätzlich ausgeschlossen ist, bei einem Unfall am Abend dann aber kein Versicherungsschutz oder ist diese Kantine insgesamt als der Allgemeinheit zugänglich zu klassifizieren, obwohl diese doch mittags stets ausgeschlossen ist? Schließlich ist der Auffassung auch entgegenzuhalten, dass kein Bedürfnis besteht für eine solche Ausweitung des Versicherungsschutzes, der – wie dargelegt – der Dogmatik widerspricht. Denn wenn ein Unfall in der Betriebskantine nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, so eröffnet sich für den Verletzten, dessen Behandlung zunächst einmal durch die Krankenversicherung sichergestellt ist, im Anschluss die Möglichkeit der Geltendmachung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen und in aller Regel wird diese letztlich eine solvente Haftpflichtversicherung zu tragen haben, so dass der Verletzt keine Befürchtung haben muss, mit seinen Ansprüchen auszufallen.

26 Der erforderliche sachliche Zusammenhang besteht nach alledem nicht bereits aufgrund der Tatsache, dass sich das Unfallereignis in einer Kantine ereignet hat. Es liegt auch keiner der dargelegten Sonderfälle, in denen nach der zutreffenden Rechtsprechung ausnahmsweise Versicherungsschutz besteht, vor. Der Kläger hatte zwar um 14 Uhr einen weiteren Geschäftstermin. Er befand sich aber bereits gegen 12 Uhr in der Kantine und hatte nach seinen Angaben bereits den Schlüssel des Firmenfahrzeugs, mit welchem er zu dem Termin fahren wollte, bei sich. Die Fahrtzeit von dem Werk B nach C, wo der Termin stattfinden sollte (Fahrtstrecke ca. 30 km), beträgt laut Routenplaner je nach gewählter Strecke 30 bis 35 Minuten. Diese Fahrtzeit hat der Kläger auch bestätigt, jedoch eingewandt, dass oftmals der Verkehrsfluss nicht optimal sei. Dies ist nachvollziehbar und dem Gericht für den Großraum A auch bekannt. Selbst wenn man aus diesem Grund aber noch großzügig weitere 20 Minuten Fahrtzeit hinzuaddiert, hatte der Kläger ca. eine Stunde Zeit, um sein Mittagessen einzunehmen, um dann die Fahrt nach C anzutreten. Diese Zeitspanne zur Einnahme des Mittagessens in einer Kantine ist als großzügig zu bewerten und nicht mit einem „mehr Hinunterschlingen“ (vgl. BSG, Urt. v. 07.03.1969, 2 RU 264/66) vergleichbar. Soweit der Kläger vorträgt, dass es als Beschäftigter der Werks B keinen Sinn mache/unzumutbar sei, das in der Tat großflächige Werksgelände zu verlassen, um das Mittagessen außerhalb einzunehmen und sodann wieder zurückzukehren, erübrigt sich vorliegend ein weiteres Eingehen darauf. Denn der Kläger musste das Werksgelände ohnehin verlassen, um den Termin in C wahrzunehmen. Auf dem Fahrtweg dorthin, der dem Gericht im Wesentlichen bekannt ist, bieten sich durchaus Gelegenheiten, in einem Schnellrestaurant o.ä. eine Mahlzeit einzunehmen. Dies erfordert nicht mehr Zeit als das Essen in der Kantine. Die (Schnell-) Restaurants sind ohne Weiteres auffindbar und es war dem Kläger aus finanziellen Gründen auch zumutbar dort zu essen. Mithin bestanden keine zwingenden Gründe, gerade in der Kantine in B das Mittagessen einzunehmen. Schließlich liegt auch keine Auswirkung einer betrieblichen Gefahr vor. Denn eine Verunreinigung des Bodens, wie sie vorliegend zu dem Sturz geführt hat, kommt – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – nicht nur in Kantinenbereichen, sondern auch in anderen Selbstbedienungsrestaurants vor (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.10.2001, L 10 U 1968/00).

27 Da unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, keine besonderen Umstände vorliegen, nach denen die Nahrungsaufnahme in der Kantine ausnahmsweise unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, ist die Klage abzuweisen.

28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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